Eines Abends komme ich nach einer langen Schicht mit einem Tablett voller sauberer Gläser in den Saal. Der Restaurantleiter steht an der Kasse und tippt, regungslos und konzentriert. Die schwarze Weste, die er normalerweise trägt, hat er abgelegt. Ich will gerade an ihm vorbei in die verlassene Küche gehen, da halte ich inne und sehe noch einmal hin. Im profanen Licht des verlassenen Restaurants schimmert die Tinte unter seiner Haut durch den weißen Stoff seines Hemdes.
Normalerweise kann man es nicht sehen, doch sein kompletter Oberkörper ist tätowiert. Es sind die Dinge, von denen er unter Schmerzen zugelassen hat, dass sie ihm „unter die Haut gehen“, die ich auf einmal erkennen kann. Das, was ihn zum Menschen macht, verschwindet normalerweise unter der Dienstkleidung, unter der Maske des Vorgesetzten. Doch in diesem Moment lerne ich, ihn anders zu sehen. Ich kann nicht anders, als eine Sympathie zu empfinden, auch wenn ich die Motive seiner Tattoos nicht erkennen kann. Er ist ein schmächtiger Mann, und nicht besonders groß. Seine Stimme ist laut, ebenso weltmännisch wie vertraulich, es liegt immer ein Lachen darin. Seine dunklen Augen sind nicht glanzlos, doch sie führen nicht in seine Seele. Wenn man hineinsieht, spiegeln sie einem, was immer man sehen soll. Aber die glatte Oberfläche professioneller Eleganz und Freundlichkeit, die er beabsichtigt, das Bild, das er seiner Umgebung zeigen möchte, ist gebrochen in dem Moment, in dem ich die Bilder unter seiner Haut schemenhaft erahnen kann. Seitdem blitzt nicht nur immer wieder die Tinte durch den Stoff, wenn ich ihn flüchtig sehe, sondern auch die Seele durch die verspiegelten Fenster seiner Augen. Es hat das richtige Licht gebraucht, um ihn im richtigen Licht zu sehen.
Wann hast du das letzte Mal jemanden gesehen?
28. August 2015 at 21:57
Heute, als ich mit einer Flüchtlingsfamilie (wahrscheinlich Syrer) im Zug saß. Mama, Papa, 4 Kinder (3 Jungs, 1 Nesthäkchen). 3 kleine Rucksäcke im Gepäckfach… auf dem Weg in eine neue Unterkunft. Sie hielten mir ihr Zugformular hin und wollten wissen ob sie im richtigen Zug seien und wann sie aussteigen sollten. Natürlich konnten sie kein Wort Deutsch! Da musste man genau hinschauen, hinfühlen, was sie wissen wollten. Bescheiden, liebenswert, einfach, natürlich. Es ging mir unter die Haut, was da drum herum mitschwang und ich trage diese 6 Menschen immernoch in meinem Herzen und wünsche ihnen in unserem Land nur das Beste…………eine lebenswerte Zukunft!!!
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1. September 2015 at 17:43
Voll super, dass du das geteilt hast, vielen Dank! Das sind so besondere Momente im Leben und ich wünsche dir noch ganz viele davon ❤
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1. September 2015 at 21:04
Danke, ich dir auch!!!
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23. September 2015 at 19:35
Meine beste Freundin aus der Schule ist ein halbes Jahr nach dem Abitur ans andere Ende von Deutschland gezogen. Sie ist nicht oft im Internet unterwegs, deswegen beschränkt sich unser Kontakt auf seltene Telefonate und etwa zwei kurze Besuche pro Jahr. Sie ist mit ihrer Freundin zusammengezogen und alles läuft perfekt. Als ich sie vor etwa einem Jahr nach ziemlich langer Zeit wiedersah, hat sie so viel Freude und Glückseligkeit ausgestrahlt, dass ich das Gefühl hatte, sie würde von innen heraus leuchten. Es war das erste Mal, dass ich sie so genau gesehen habe und obwohl ich mich für sie freue froh, macht es mich traurig, dass unsere Freundschaft so durch die Distanz strapaziert wird.
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23. September 2015 at 20:48
Danke für die tolle Geschichte! ❤ Aber es zeugt sehr von Charakter, dass du dich für sie freuen kannst, finde ich 🙂 Ich bringe auch gerade andere Leute in diese Situation, weil ich gerade nach England gezogen bin. Ich hoffe sehr, dass meine deutschen Freunde mir erhalten bleiben und dass sie so cool damit umgehen, wie du 😀
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